Strategische Einschüchterung – SLAPP-Fälle in Deutschland
Bettina Hesse, 30.5.2024
In einer Session auf der re:publica in Berlin beleuchteten Rechtsanwalt Dr. Jasper Prigge und Bettina Hesse (dju in ver.di) konkrete SLAPP-Fälle in Deutschland. Der Talk informierte über die Strategien der Kläger*innen, über die intendierten und letztlich erzielten Auswirkungen von SLAPPs sowie über die neue Anlaufstelle für Publizist*innen, die von juristischen Einschüchterungsversuchen betroffen sind.
Freie Journalist*innen oder kleine Redaktionen: Es sind gerade vulnerablere Personen oder Organisationen, die etwa von Unternehmen oder wohlhabenden Einzelpersonen gezielt mit Abmahnungen oder Klagen überzogen werden. Übermäßig hohe Schadensersatzforderungen, sehr hohe Anwaltskosten, großflächiges Vorgehen gegen jegliche sich äußernde Stimmen und ein kompromissloses Verfolgen kleinlicher Forderungen sind typische Charakteristika von SLAPPs in Deutschland. Zur Strategie von Kläger*innen gehört, Fälle so lange wie möglich in die Länge zu ziehen, um Beklagte finanziell wie auch psychologisch zu strapazieren. Und die Abschreckung verfängt – bei ressourcenschwächeren Zielen eher als bei großen Medienorganisationen mit eigenem Justiziariat. Denn über bestimmte Themen journalistisch zu berichten oder überhaupt öffentlich zu sprechen, wenn von einer engen Beobachtung durch klagefreudige Akteur*innen auszugehen ist, erfordert immensen zeitlichen und finanziellen Aufwand. Da ist es natürlich leichter, von dem Thema Abstand zu nehmen.
Mit Blick auf die kürzlich in Kraft getretene EU-Richtlinie gegen SLAPPs wurde in dem Talk deutlich, dass sie in ihrer jetzigen Form nur wenigen SLAPP-Betroffenen tatsächlich helfen würde. So bezieht sie sich nur auf internationale Fallkonstellationen, die vor Gericht landen. Die inflationär strategisch eingesetzten Abmahnungen fallen nicht unter ihren Schutz, ebensowenig wie inländische Fälle. Zudem bleiben Beklagte auf ihren – je nach Streitwert mitunter hohen – Anwaltskosten sitzen. Auch werden missbräuchliche juristische Schritte wie etwa unverhältnismäßig hoch angesetzte Streitwerte nicht ausreichend sanktioniert. Für die Bundesregierung bleibt bei der Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht in der verbleibenden Amtszeit also viel zu tun, um damit den demokratischen Diskurs tatsächlich wirksam zu stärken.
Journalist*innen, die eine Abmahnung oder Klage kassieren, sollten wissen: Sich gegen SLAPPs zu wehren, lohnt sich. Viele Fälle können abgewehrt werden. Unterstützung und Expertise bietet die neue unabhängige Anlaufstelle zum Schutz publizistischer Arbeit unter www.noslapp.de.