Der rechtliche Beirat der No SLAPP Anlaufstelle im Gespräch: Prof. Dr. Roger Mann

RA Prof. Dr. Roger Mann. Foto: Damm & Mann Anwälte

Die No SLAPP Anlaufstelle zum Schutz publizistischer Arbeit in Deutschland wird von derzeit 17 Rechtsexpert*innen unterstützt, um die Schulungen und andere Angebote der Anlaufstelle auf fachlich höchstem Niveau zu halten. Und um bei konkreten SLAPPs bestmöglich rechtliche Beratung zu vermitteln, bei Fällen mit presse- und äußerungsrechtlichen, arbeitsrechtlichen, aber auch strafrechtlichen Dimensionen. 

Mit dieser Interviewserie stellen wir die Beirätinnen und Beiräte einzeln vor, heute mit Perspektiven von Prof. Dr. Roger Mann aus Hamburg. Roger Mann ist als Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht Gründungsmitglied der Sozietät DAMM & MANN sowie Honorarprofessor an der Georg-August-Universität Göttingen, wo er an der Fakultät für Rechtswissenschaften Presserecht lehrt. Er ist Mitherausgeber der Fachzeitschrift “Archiv für Presserecht” (AfP) und des Buchs Himmelsbach/Mann: “Presserecht”.  Als Sachverständiger für presserechtliche Themen wurde er u.a. vom Europarat und vom Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages eingeladen.

Welchen Bezug haben Sie zum Thema SLAPP - mit welchen Formen von Einschüchterung durch rechtliche Mittel beschäftigen Sie sich besonders intensiv?  

Wir sind als Medienanwälte immer wieder mit Versuchen konfrontiert, Journalistinnen und Journalisten aber auch NGO’s bereits im Recherchestadium durch die Androhung hoher Schadensersatzforderungen von kritischer Berichterstattung abzuhalten. Wo dies nicht gelingt, wird teilweise versucht, durch entsprechende Klagen ein Klima der Angst zu verbreiten.  

Was sind Ihre Ratschläge für Betroffene von rechtlichen Einschüchterungsversuchen?  

Sich nicht einschüchtern zu lassen! Das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellen in ihrer Rechtsprechung immer wieder die Rolle der Medien als „public watchdog“ und die konstituierende Rolle einer freien Presse für eine demokratische Gesellschaft heraus. Wer die journalistischen Sorgfaltspflichten beachtet, hat in der Regel nichts zu befürchten.   

In der EU-Richtlinie "Über den Schutz von Personen, die sich öffentlich beteiligen, vor offensichtlich unbegründeten Klagen oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren" wurde SLAPP zum ersten Mal in Europa von offizieller Seite definiert. (Inwiefern) beeinflusst diese Formulierung ihre Arbeit jetzt schon, noch vor der Umsetzung in nationales Recht?   

In Deutschland wird das Phänomen von SLAPP-Klagen weitgehend noch nicht als solches wahrgenommen. Auch viele Gerichte sind der Meinung, dass das übliche Instrumentarium zur Lösung solcher Fälle ausreicht. Dabei wird allerdings außer Acht gelassen, dass der finanzielle Druck und die organisatorische Belastung durch derartige Verfahren so groß ist, dass sie bei den unmittelbar Betroffenen zu existentiellen Problemen führen können und bei Beobachtern zur „Schere im Kopf“ führt. Genau das ist ja der Zweck. Daher würde ich mir wünschen, dass hier eine größere Sensibilität für die Problematik entsteht. 

Worauf sollte der Gesetzgeber hierzulande bei der Umsetzung unbedingt achten?  

Wichtig sind vor allem für die Praxis handhabbare Regelungen, die den Interessen aller Beteiligten gerecht werden. Da hilft es, wenn man auf vorhandene Regelungen zurückgreifen kann, zu denen es bereits Rechtsprechung gibt, auf die die Praxis zurückgreifen kann. Bei der Identifizierung offenkundig unbegründeter Verfahren bietet sich insoweit eine Anleihe bei der Definition der „mutwilligen“ Rechtsverfolgung im Prozesskostenhilferecht an.

Welches öffentliche Verständnis von SLAPP schlagen Sie bis zur Umsetzung vor - welche Fälle sollten als SLAPP verstanden werden, welche vielleicht auch nicht?  Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste, was die Öffentlichkeit über SLAPPs wissen sollte?  

Nicht jeder Anglizismus bringt Klarheit, schon gar nicht als Akronym. Ich bevorzuge den Begriff „Einschüchterungsklage“, weil er das Phänomen, um das es geht, im Deutschen mit einem Wort besser beschreibt. Ich will hier durchaus auch davor warnen, reflexartig jede Klage eines großen Unternehmens gegen Angriffe in der Öffentlichkeit als SLAPP-Klage zu diffamieren. Das Recht kennt keine automatische Rollenverteilung in „gut“ oder „böse“ und es gibt leider auch verantwortungslosen Journalismus, der die Meinungs- und Pressefreiheit auf seine Weise bedroht. Das ändert aber nichts daran, dass in der Öffentlichkeit Sensibilität für das Phänomen von Einschüchterungsklagen geschaffen werden muss und gegebenenfalls auch unorthodoxe Finanzierungsmöglichkeiten z.B. durch private Stiftungen diskutiert werden sollten, an die sich kleinere Organisationen in solchen Situationen zur Finanzierung ihrer Prozesse wenden können. 

Wie können rechtliche Einschüchterungsversuche Ihrem Verständnis nach besonders gut abgewehrt werden? Wenn Sie Ihre Mandant*innen gegen SLAPPs verteidigen, welche Dinge brauchen Sie dann in Ihrem Werkzeugkasten?

Wie gesagt: Wer sorgfältig recherchiert und auf dieser Basis verantwortungsbewusst berichtet, der benötigt bei Einschüchterungsversuchen sicherlich immer noch gute Nerven – aber kein Wunder. Wir arbeiten unheimlich gerne mit Journalistinnen und Journalisten zusammen, die ihre Recherche gut dokumentiert haben und, wenn wir ergänzende Fragen zum Sachverhalt haben, bei der Nachrecherche genauso bissig sind wie vor der Veröffentlichung. 

Zurück
Zurück

VW fordert 350k von Aktivisten - und zieht gerichtlichen Antrag im letzten Moment zurück

Weiter
Weiter

SLAPPs: Eine Belastung auch für das Privatleben von Betroffenen