VW fordert 350k von Aktivisten - und zieht gerichtlichen Antrag im letzten Moment zurück

In einem überraschenden Schritt hat der Volkswagen-Konzern seinen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen den Verkehrswende-Aktivisten Tobi Rosswog zurückgezogen. Die Entscheidung fiel am 30. Juli 2024, nur einen Tag vor der geplanten Urteilsverkündung am Landgericht Braunschweig und markiert das vorläufige Ende eines aufsehenerregenden Rechtsstreits.

Der Konflikt entzündete sich an einer satirischen Website, die Rosswog als Teil des losen Aktivistenbündnisses Amsel44 betrieb. Die Seite präsentierte eine fiktive Zukunftsvision, in der VW seine Produktion auf Straßenbahnen, Busse und Lastenräder umgestellt hatte. Untermalt wurde diese Vision mit erfundenen Zitaten von VW-Führungskräften, darunter Wolfgang Porsche, der sich in den fiktiven Aussagen kritisch zur Unternehmensgeschichte äußerte.

Volkswagen reagierte mit rechtlichen Schritten und forderte von Rosswog eine Unterlassungserklärung. Der Konzern sah in der Nutzung des VW-Logos und in den fiktiven Zitaten eine Verletzung von Markenrechten und eine potenzielle Rufschädigung. Bemerkenswert war die kurze Frist von nur fünf Stunden, die VW Rosswog für die Unterzeichnung der Erklärung einräumte - obwohl die Website zu diesem Zeitpunkt bereits offline war. Und der Streitwert, den VW zunächst auf 350.000€ ansetzte.

In der mündlichen Verhandlung zeichnete sich ab, dass das Gericht die Argumente von Rosswogs Anwältin Nina Onèr als stichhaltig erachtete. Die Kammer deutete an, dass die Website durch die Meinungs- oder Kunstfreiheit geschützt sein könnte, da die Satireabsicht für Betrachter leicht erkennbar sei. Auch die Verwendung des VW-Logos wurde als möglicherweise zulässig eingestuft, da kein "markenmäßiger Gebrauch" vorlag.

VW, vertreten durch den renommierten Medienanwalt Matthias Prinz, sah sich mit einer unerwartet starken Gegenwehr konfrontiert. Das Gericht schlug einen Vergleich vor, den VW als Erfolg wertete - vorschnell, denn Rosswog zeigte sich bereit, den Rechtsstreit fortzuführen, und sah in dem Verfahren eine Möglichkeit, das Thema Verkehrswende weiter in die Öffentlichkeit zu tragen (wie auch die taz berichtete).

Die Rücknahme des Antrags durch VW lässt vermuten, dass der Konzern seine Erfolgsaussichten als gering einschätzte. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch der ursprünglich von VW angesetzte Streitwert von 350.000 Euro, den das Gericht als "drastisch überhöht" bewertete und eher im niedrigen fünfstelligen Bereich ansiedelte.

Autor: Philipp Wissing

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