Der rechtliche Beirat der No SLAPP Anlaufstelle im Gespräch: Christian Löffelmacher
Die No SLAPP Anlaufstelle zum Schutz publizistischer Arbeit in Deutschland wird von derzeit 17 Rechtsexpert*innen unterstützt, um die Schulungen und andere Angebote der Anlaufstelle auf fachlich höchstem Niveau zu halten. Und um bei konkreten SLAPPs bestmöglich rechtliche Beratung zu vermitteln, bei Fällen mit presse- und äußerungsrechtlichen, arbeitsrechtlichen, aber auch strafrechtlichen Dimensionen.
Mit dieser Interviewserie stellen wir die Beirätinnen und Beiräte einzeln vor, heute mit Perspektiven von Christian Löffelmacher aus Berlin. Christian Löffelmacher ist Rechtsanwalt, Der Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit liegt im Äußerungsrecht. Er unterstützt NGO`s, Politiker*innen; Journalist*innen und Aktivist*innen sowohl bei der Durchsetzung als auch bei der Abwehr von Unterlassungsbegehren.
Welchen Bezug haben Sie zum Thema SLAPP - mit welchen Formen von Einschüchterung durch rechtliche Mittel beschäftigen Sie sich besonders intensiv?
SLAPP Klagen im allgemeinen Verständnis sind Klagen, die sich gegen öffentliche Beteiligung richten. Rein praktisch richten sich diese Klagen, zumindest in meinem Tätigkeitsbereich, gegen Journalist*innen, Aktivist*innen und NGO´s, die sich an die Öffentlichkeit wenden. Wobei es in einer nicht geringen Zahl von Fällen nicht zu einem Klageverfahren oder zu einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kommt, wenn das entsprechende Unterlassungsbegehren substantiiert zurückgewiesen wird. Die Kosten zur Abwehr auch einer offensichtlich ungerechtfertigten Abmahnung verbleiben jedoch bei den jeweiligen Mandant*innen.
Da jedoch auch für den oder die Abmahnende im Falle einer anwaltlichen Abmahnung Kosten entstehen, sehe ich seit geraumer Zeit die Tendenz, dass vermehrt nicht zivil- sondern strafrechtlich vorgegangen wird. Eine Strafanzeige ist schnell und ohne weitere Kosten für die Anzeigenerstatter* in erstellt.
Was sind Ihre Ratschläge für Betroffene von rechtlichen Einschüchterungsversuchen?
Keine Panik, sich nicht unter Druck setzen lassen und sich zeitnah zur Einordnung eine rechtliche Vertretung suchen, welche mit der Materie vertraut ist.
Als zweiter Schritt ist es wichtig, sich hinsichtlich der finanziellen Risiken abzusichern. Der Gegenrechtsschutz von Frag den Staat hat schon vielen Betroffenen geholfen und eine Abwehr von unberechtigten Ansprüchen überhaupt erst möglich gemacht.
In der EU-Richtlinie "Über den Schutz von Personen, die sich öffentlich beteiligen, vor offensichtlich unbegründeten Klagen oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren" wurde SLAPP zum ersten Mal in Europa von offizieller Seite definiert. (Inwiefern) beeinflusst diese Formulierung ihre Arbeit jetzt schon, noch vor der Umsetzung in nationales Recht?
Ehrlich gesagt gar nicht. Die Richtlinie enthält Garantien gegen offensichtlich unbegründete Klagen oder missbräuchliche Gerichtsverfahren in Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezug. Diesen grenzüberschreitenden Bezug habe ich bislang in meiner alltäglichen Arbeit noch nicht gehabt.
Worauf sollte der Gesetzgeber hierzulande bei der Umsetzung unbedingt achten?
Die Richtlinie gibt in weiten Teilen die Rechtslage in Deutschland wieder. Ein offensichtlich unbegründeter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird von den Gerichten meist zeitnah zurückgewiesen. Eine unsubstantiierte Klage ebenso. Die Beweis- bzw. Darlegungslast obliegt in Deutschland im Regelfall dem Kläger. Der unterliegende Kläger hat in Deutschland schon jetzt die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Sofern Anträge umgestellt oder zurückgenommen werden, hat der Kläger die entsprechenden Kosten zu tragen.
Als wichtig erachte ich die Umsetzung von Art. 16 - Versagung der Anerkennung und Vollstreckung eines Urteils aus einem Drittland. Hierdurch können Urteile nicht mehr in Deutschland vollstreckt werden, wenn die zugrunde liegende Klage in Deutschland als offensichtlich unbegründet oder missbräuchlich angesehen wird.
Welches öffentliche Verständnis von SLAPP schlagen Sie bis zur Umsetzung vor - welche Fälle sollten als SLAPP verstanden werden, welche vielleicht auch nicht? Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste, was die Öffentlichkeit über SLAPPs wissen sollte?
Die Verwendung des Begriffes SLAPP sollte aus meiner Sicht den Fällen vorbehalten bleiben, in denen Journalist*innen, Aktivist*innen und Organisationen in grenzüberschreitende juristische Auseinandersetzungen verwickelt werden, um ihre Kapazitäten zu binden und schlussendlich durch das finanzielle Risiko mundtot zu machen. Demgegenüber ist im deutschen Sprachraum SLAPP ein Synonym für jegliches zweifelhaftes juristisches Vorgehen geworden.
Wie können rechtliche Einschüchterungsversuche Ihrem Verständnis nach besonders gut abgewehrt werden? Wenn Sie Ihre Mandant*innen gegen SLAPPs verteidigen, welche Dinge brauchen Sie dann in Ihrem Werkzeugkasten?
Zunächst ist immer zu prüfen: besteht der geltend gemachte Anspruch, oder besteht er nicht? Wenn er besteht, ist es keine Schande, eine hinreichend strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Über die Höhe der zu erstattenden Kosten kann man sich gerne in einem gesonderten Prozess streiten. In diesem ist das Kostenrisiko dann geringer.
Besteht der geltend gemachte Anspruch nicht, ist er zurückzuweisen und der Gegner aufzufordern auf seinen Anspruch zu verzichten. Tut er dies nicht, kann der Gegner dahingehend verklagt werden, dass festgestellt wird, dass der Anspruch von Anfang an nicht bestand. Der zu Unrecht in Anspruchgenommene ist meist nicht so wehrlos, wie er anfangs denkt.
Der Werkzeugkasten besteht aus profunden Kenntnissen der aktuellen Rechtsprechung, der Zivilprozessordnung und daneben ganz wichtig: genug Zeit und Interesse für die jeweilige Materie.