Studie bestätigt: SLAPPs bedrohen demokratische Teilhabe in Deutschland

Eine aktuelle Untersuchung zeigt das Ausmaß strategischer Klagen gegen öffentliche Beteiligung und unterstreicht die Notwendigkeit wirksamer Schutzmaßnahmen

Wissenschaftliche Erhebung zu SLAPPs in Deutschland

Die soeben veröffentlichte Studie "Einschüchterung ist das Ziel" liefert erstmals umfassende empirische Daten zu strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung (SLAPPs) in Deutschland. Das Arbeitspapier der Otto Brenner Stiftung wurde in Kooperation mit der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di (dju), der Gesellschaft für Freiheitsrechte und dem Umweltinstitut München in Auftrag gegeben. Die Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Stefanie Egidy von der Universität Mannheim hat in ihrer Untersuchung erstmals umfassende, besorgniserregende Erkenntnisse zusammengetragen.

Was zeigt die Studie?

Die Erhebung belegt, wie vielfältig strategische Einschüchterungen in Deutschland stattfinden und wie stark sie die Betroffenen belasten. An der Online-Befragung im September 2024 nahmen 227 Personen teil, von denen 116 eigene Erfahrungen mit Einschüchterungsversuchen berichteten. 50 Teilnehmer hatten direkte Erfahrungen als SLAPP-Beklagte.

Die Studie offenbart, dass die Einschüchterungsversuche sich gezielt gegen demokratisch wichtige Aktivitäten richten:

  • Recherchetätigkeiten und investigativen Journalismus

  • Kritische Berichterstattung über Politik, Staat und Unternehmen

  • Veröffentlichungen in sozialen Medien

  • Teilnahme an Demonstrationen

Besonders beunruhigend: Die finanzielle Belastung kann existenzbedrohend sein. Bei 13 Prozent der gemeldeten SLAPP-Klagen lagen die Streitwerte zwischen 200.001 und 500.000 Euro – Summen, die für Einzelpersonen oder kleine Organisationen kaum zu stemmen sind.

Die vielen Gesichter der Einschüchterung

Die Untersuchung zeigt, dass die Einschüchterung nicht nur durch förmliche Klagen erfolgt, sondern auch durch:

  • Abmahnungen und strafbewehrte Unterlassungserklärungen

  • Anwaltsschreiben mit Klageandrohungen

  • Einfache Kontaktaufnahmen mit einschüchterndem Charakter

  • Einschaltung von Ermittlungsbehörden

Die Folgen für die Betroffenen sind gravierend: Neben der finanziellen Belastung berichten sie von erheblichem psychischen Druck. Besorgniserregend ist zudem, dass gut ein Drittel der Befragten mit eigenen Erfahrungen bestätigt, dass sie durch SLAPPs von künftiger öffentlicher Beteiligung abgeschreckt würden – genau das Ziel, das SLAPP-Kläger verfolgen.

Unsere Anlaufstelle: Bereits aktiv, aber unterfinanziert

Als Anlaufstelle für SLAPP-Betroffene leisten wir bereits wichtige Unterstützungsarbeit. Wir bieten:

  • Erstberatung für Betroffene

  • Vermittlung von rechtlichem Beistand

  • Dokumentation und systematische Erfassung von SLAPP-Fällen

  • Empirische Begleitung und Auswertung

  • Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung

Unsere tägliche Arbeit bestätigt die Erkenntnisse der Studie: SLAPPs stellen eine ernsthafte Bedrohung für die demokratische Teilhabe in Deutschland dar. Die von uns dokumentierten Fälle zeigen das gleiche Muster an Einschüchterungsversuchen und deren belastende Wirkung auf die Betroffenen.

EU-Richtlinie und nationaler Handlungsbedarf

Die 2024 erlassene Anti-SLAPP-Richtlinie der EU muss bis Mai 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. Prof. Egidy unterbreitet in ihrer Studie konkrete Vorschläge, wie der Gesetzgeber diese Gelegenheit nutzen sollte:

  1. Die EU-Richtlinie auf alle SLAPP-Fälle ausweiten, nicht nur auf grenzüberschreitende

  2. Verfahrensbeschleunigung und Sicherheitsleistungen ausdrücklich normieren

  3. Kostenerstattungsmöglichkeiten für tatsächlich angefallene Kosten schaffen

  4. Wirksame Sanktionen gegen missbräuchliche Verfahren einführen

Dringender Aufruf: Mehr Ressourcen für den Kampf gegen SLAPPs benötigt

Die Studie unterstreicht, was wir aus unserer täglichen Arbeit nur zu gut kennen: Der Bedarf an Unterstützung für SLAPP-Betroffene ist enorm und wird im Zuge der Umsetzung der Popularisierung des Themas durch die EU-Richtlinie weiter steigen. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, benötigen wir:

Eine wesentlich umfassendere Finanzierung unserer Anlaufstelle.

Nur mit ausreichenden Ressourcen können wir:

  • Mehr Betroffenen helfen

  • Die systematische Dokumentation von Fällen ausbauen

  • Die empirische Begleitung der SLAPP-Problematik intensivieren

  • Präventions- und Aufklärungsarbeit verstärken

  • Die Umsetzung der EU-Richtlinie kritisch begleiten

Gemeinsam gegen Einschüchterung!

Die Studie der Otto Brenner Stiftung liefert den wissenschaftlichen Beleg für das, was viele bereits spüren: SLAPPs bedrohen den freien demokratischen Diskurs in Deutschland. Als Anlaufstelle sind wir entschlossen, Betroffene zu unterstützen und gegen diese Form der Einschüchterung vorzugehen.

Doch ohne angemessene finanzielle Ausstattung werden wir diesem wichtigen Auftrag nicht gerecht werden können. Die bevorstehende Umsetzung der EU-Richtlinie bietet die Chance, den Schutz vor SLAPPs in Deutschland zu stärken – diese Chance dürfen wir nicht verstreichen lassen.

Die vollständige Studie "Einschüchterung ist das Ziel" von Prof. Dr. Stefanie Egidy ist auf der Website der Otto Brenner Stiftung verfügbar: https://www.otto-brenner-stiftung.de/einschuechterung-ist-das-ziel

Betroffene von SLAPPs oder strategischen Einschüchterungsversuchen können sich an unsere Anlaufstelle wenden. Alle Informationen finden Sie auf unserer Website.

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Der rechtliche Beirat der No SLAPP Anlaufstelle im Gespräch: Dr. Judit Bayer